Habelschwert.
Wie dasselbe den Tag nach dem Brande anzusehen war, nebst Abbildungen der
merckwürdigsten Unglücksscenen.
Ausführliche Beschreibung des großen Brandes
der Stadt Habelschwerdt, welche
in der Nacht vom 30ten zum 31ten October [1823],
Abends zwischen 7 und 8 Uhr, durch das Feuer gänzlich verwüstet wurde, daß in 4 Stunden 3 Vorwerke, 176 Bürgerhäuser, 16 Hinterhäuser, eine Menge Ställe, Scheuern, Schuppen u. das bürgerliche Hospital mit der Kirche und dem Krankenhause, der Pfarr- und Kapellan-Wohnungen, die Mädchenschule und Glöcknerwohnung und ein Theil der katholischen Kirche so wie ganz die evangelische Kirche, in einen Aschenhaufen verwandelt wurden, und wobei auch viele Menschen verunglückt sind.
Schweidnitz, gedruckt bei Carl Friedrich Stuckart, 1823.
Die Folgen einer Feuersbrunst sind immer schrecklich, doch doppelt und dreifach werden sie, wenn ein Ort so allgemein verunglückt, daß man nur auf auswärtige Hülfe rechnen kann, und wenn auch das Unglück sich in einer Jahreszeit ereignet, die auch bei den besten Hülfsmitteln ein baldiges Retablissement nicht zulässet. Beides ist in der Nacht vom 30sten bis 31sten October der Stadt Habelschwerdt widerfahren.
Es war nämlich Donnerstags, den 30sten October; zwischen 7 und 8 Uhr, als der Unglück verkündende Ruf „Feuer!“ die friedlichen Bewohner Habelschwerdts aufschreckte. Alles strömte eilig der Wasservorstadt zu, wo in einem großen Vorwerksgehöfte, der blaue Hirsch genannt, das Feuer ausgebrochen war. Ein heftiger Sturm wehte aus Süden und verbreitete das Feuer binnen wenigen Minuten über die ganze Stadt, so daß die zur Löschung Herbeigeeilten nur eiligst auf ihre eigne Rettung bedacht seyn mußten, aber auch dieses war bald nicht mehr möglich, denn die Flamme hatte sich überall hin verbreitet, so daß das ganze Himmelsgewölbe in einem ungeheuern Feuermeere zu schwimmen schien, als gälte es, diese kristallne Decke zu schmelzen, der Sternenköniginn den Rang streitig zu machen und auf der andern Seite die Welten durch Dampf zu verfinstern, so wütend griff die mit den Kräften des Orkans gepaarte Flamme um sich, als wäre sie nur zum Verderben der Menschheit geschaffen.
Die Garnison, welche aus Invaliden bestand, hatte die Stadt verlassen und mit ihr der größte Theil der Einwohner. Denjenigen, die aus Sorge noch etwas von dem Ihrigen zu retten, sich verspätet hatten, war es nicht mehr möglich, aus der Stadt zu fliehen, denn jede Straße war ein Feuerstrom, durch den sich zu retten selbst dem Kühnsten schauderte. Sie flüchteten daher in die Keller und viele von ihnen wurden eine Beute des Todes. Nichts widerstand den Flammen, der wüthende Orkan faßte ganze Dächer und warf sie herab, führte die brennenden Schindeln gleich einem Feuerregen auf die benachbarten Dörfer zu, so daß auch aus diesen Niemand der Stadt zu Hülfe kommen konnte, aus Sorge für ihre eigene Rettung. Die schreckliche Hitze sprengte ganze Gewölbe und trieb glühende eiserne Fensterladen aus ihren Fugen. So lagen binnen 4 Stunden 3 Vorwerke, 176 Bürgerhäuser, 16 Hinterhäuser, eine ungeheure Menge von Ställen, Scheuern und Schuppen, das bürgerliche Hospital mit der Kirche und dem Krankenhause, die Pfarr- und Kapellan-Wohnungen, die Mädchenschule und die Glöcknerwohnung, die katholische Kirche zum Theil, die evangelische aber ganz in der Asche.
1100 Personen vom Civil und 256 vom Militär stehen durch dieses Unglück aller ihre Habseligkeiten beraubt, nun bettelarm da, müssen mit zerrissenem Herzen die treue Gattin und die geliebten Kinder hungern sehn, und starren in eine finstere schreckliche Zukunft hinaus, keine andere Aussicht auf künftiges Fortkommen und Glück als auf das Mitleid gefühlvoller Menschenfreunde habend. Schrecklich ist der Anblick der eingeäscherten Stadt, deren Straßen nur noch an den theilweis aus den Aschenhaufen sich erhebenden Giebeln und Feueressen zu erkennen sind; arme von Kleidern entblößte Menschen wühlen in den Ueberbleibseln ihrer noch vor wenigen Tagen so stillen freundlichen Wohnungen, auch den geringsten Fund mit der lebhaftesten Freude ergreifend. –
Das Ganze ist ein, furchtbar warnendes Beispiel der Nachläßigkeit oder Unvorsichtigkeit, oder ein schrecklich mahnender, die richtende Gottheit anrufender Ankläger der schwärzesten Bosheit. – Denn noch ist die Veranlassung des Feuers nicht ermittelt. Mehreremahle schon wurde die Stade durch Feuerbriese bedroht und auch durch einen Versuch erschreckt, durch den im vorigen Jahre 12 mit Getraide-Vorräthen gefüllte Scheuern abbrannten.
Die Arbeiter einer nahegelegenen Fabrik sind allen menschenfreundlichen Wohlthätern mit einem rühmlichen Beispiel vorangegangen, indem mehrere ihr ganzes Wochenlohn den Unglücklichen, die dem nahestehenden rauhen Winter mit Schaudern entgegenstehen, spendeten. Auch aus den Nachbarländern, nahmentlich aus der Herrschaft Grulich ist reichliche Unterstützung angekommen. Gewiß wird auch das immer so menschenfreundliche Schlesien nicht hinter diesen zurückbleiben und den Unglücklichen Hülfe angedeihen lassen. Dankbar werden die Magisträte der Städte alle milden Beiträge, sie mögen auch nochso gering seyn, annehmen und gewissenhaft befördern.
Ihr! Die ihr euch des Glückes erfreut, bedenkt eure unglücklichen Mitmenschen und lindert ihre Leiden und Noth.
Habelschwerdt ist eine der ältesten Städte in der Grafschaft Glatz und hatte vor dem letzten Brande 524 Häuser und 2720 Einwohner, und soll schon 1217 ummauert gewesen seyn.
Wie oft diese unglückliche Stadt von Feuersbrünsten heimgesucht ward, ist aus Folgendem zu ersehen:
1473 brannte, man sagt durch große Dürre veranlaßt 6 Wochenlang ein Wald bei der Stadt aus. Noch heute führt die Stätte, enthaltend 641 Markenfläche, den Namen Wüstung.
1475 in der Osternacht verwahrloste ein Knecht, der Licht auf dem Heuboden getragen, eine Feuersbrunst, welche die ganze Stadt bis auf ein Haus verzehrte.
1540 steckte (man erzählt es) die Sommerhitze den breiten Stadtbusch an, er brannte aus.
1605 wurde die ganze Stadt ein Aschenhaufen.
1646 den 10ten October, wo die Schwedischen Regimenter Mortaiqui, Ende, Bögen und Görz einfielen, die Einwohner rein ausplünderten und dann Feuer anlegten, so daß nebst dem Rathhause, den Pfarr- und- Schulgebäuden, Malz - und Brauhäusern 73 städtische und 96 vorstädtische Wohnungen sammt 17 Scheunen niederbrannten, folglich der ganz verwüsteten Stadt eine Schuldenlast von 30,000 Schles. Thaler aufgebürdet ward.
1703 legte eine Feuersbrunst 75 Häuser in Asche.
1753 den 5ten October früh 4 Uhr brach bei einem Nagelschmidt Feuer aus. Der neben an liegende Stadt-Schoppen, worin die Jahrmarktsbuden, Stroh und andre Sachen lagen, gerieth in Brand und entzündete auch die Kirche, das Pfarrhaus, sammt der Schule und 17 Scheunen.
1775 verzehrte abermals ein Brand 7 vorstädtische Häuser nebst 12 Scheunen.
1800 den 20ten August Abends halb 11 Uhr entstand im Hause Nro. 1. bei dem bürgerlichen Weinschenk Franz Schwarzer, in dessen Hinterhause und zwar auf dem Heuboden ein fürchterlicher Brand, der so schnell um sich griff, daß in Zeit von 4 Stunden die ganze innere Stadt, ein Theil der Wasservorstadt, 2 Vorwerke über der Neiße unterhalb der Hoppenbrücke, nemlich das Joseph Wagnersche und Ignatz Richtersche, das Dach auf der Kirche, der Thurm, die Pfarr- und Schulwohnung, und der Rahtsthurm abbrannten.
Als das Feuer entstand wehte der Nordwestwind, welcher die Flamme sofort von Nro. 115 und 116 warf, von wo es sich über die Mauer hinab in die Wasservorstadt bis zu den besagten Vorwerken verbreitete. Kaum aber hatte bei einem Gewitter mit wenigem Regen der Wind nach Verlauf einer Stunde sich nach Süden gewandt, als die Flamme schleunig die ganze übrige innere Stadt ergriff. Die Neue und Glätzer Vorstadt konnte nur mit großer Anstrengung der Löschenden gerettet werden, doch brannte in dem Garten des damaligen Stadtpfarrers Canonicus Herrmann das dortstehende Treibhaus und mehrere Zäune ab.
Da die Stadt mit Schindeln gedeckt war und sich in den Hinterhäusern große Vorräthe von Heu und Stroh befanden, da die große Hitze, welche ein paar Tage zuvor geherrscht, die hölzernen Dächer sehr ausgetrocknet hatte, so konnte, wenn auch ein Ueberfluß an Wasser und ein stärkeres Löschungs-Personale zusammenzubringen gewesen wäre, bei dem mit dem Feuer wüthenden Sturme, keine Rettung für die innere Stadt möglich seyn, besonders da das Feuer bald anfangs den Zugang zum Fluße vor das Wasserthor hemmte. Das Wasser mußte daher, da auch die Pforte bald nicht mehr zu passiren war, zum Glätzer Thore hereingebracht werden.
Bei Uebersicht des Brandschadens lagen 150 Wohnhäuser und Werkstätte, nebst den kirchlichen und öffentlichen Stadtgebäuden in der Asche, deren Bewohner die auf die schreckliche Nacht folgenden Tage im größten Kummer und Elend umherirrten. Indessen blieb die Wohlthätigkeit der Menschenfreunde nicht lange aus und es kamen von den benachbarten Orten reichliche Geschenke an Brot, Getraide, Kleidungsstücken u. s. w.
Eben befand sich der König auf seiner schlesischen Reise nebst der Königin in Glatz und ließ der niedergeschlagenen abgebrannten unglücklichen Bürgerschaft kräftige Unterstüßung zusichern. Es wurden auch sofort 3000 Rthlr. [Reichsthaler] angewiesen, wovon 2000 an die abgebrannten Handwerker zu Anschaffung neuer Handwerksgeräthe und 1000 Rthlr. an die ärmsten Abgebrannten vertheilt wurden. Die Stände der Grafschaft Glatz bezeigten sich vorzüglich mildthätig gegen die abgebrannte Stadt, indem sie den Winter hindurch 7337 Brodte für die ärmste Klasse und für das Gesinde liefern ließen. Außerdem kamen von den benachbarten Orten mehr als 7000 Stück Brodte.
Aus den Städten und Dörfern der Grafschaft und Schlesiens liefen nach und nach reichliche Collecten ein, welche zusammen 3020 Rthlr. 2 Sgl. [Schilling] 9 D'n [Denar] betrugen und nach dem Vorschlage und Approbation der Königl. Kammer in Breslau vertheilt wurden, so daß auf einen Mann 9 bis 12 Rthlr, auf ein Weib eben so viel, auf ein Kind 2 Rthlr. 20 Sgl. und auf ein Gesinde 2 Rthlr. vertheilt werden konnten.
Im Schutte der niedergebrannten Gebäude fand man beim Aufräumen 5 Pfund geschmolzenes Silber.
Die Personenzahl der Abgebrannten betrug 870 Seelen, die Brandschadensumme rechnete man ohne die Häuser auf 31,775 Rthlr. Die abgebrannten Häuser waren im Kataster der Feuersocietät angeschlagen auf 38,680 Rthlr.
macht in Summa 70,415 Rthlr.
zum Aufbau der Stadt wurde accordirt ein Königl. Gnadengeschenk von 24,000 Rthlr. und die Societätshülfe mit 38,640 Rthlr.
in Summa 62,640 Rthlr.
Die Anschläge zum Wiederaufbau der Stadt beliefen sich auf 210,500 Rthlr., folglich fehlten den Abgebrannten noch zur Wiederherstellung ihrer Häuser 147,860 Rthlr.
Um die Abgebrannten von Seiten gemeiner Stadt zu unterstützen, erhielten sie aus den weitentlegenen Waldungen das Bauholz umsonst und ohne Bezahlung; für das Holz aus nahegelegenen Waldungen wurde bezahlt für einen Balken 10 Sgl. einen Riegel 3 Sgl. einen Sparren 4½ Sgl. eine Latte 4¼ Sgl. für tausend Dachziegel 4 Rthlr. 20 Sgt. und für das taufend Mauerziegel eben so viel.
Die Entstehung des Feuers war weder durch die Untersuchung des Magistrats noch des glätzischen Inquisitoriats auszumitteln.
Erklärung der beigefügten Kupfertafel.
Nro. 1. Das Vorwerksgehöfte, wo das Feuer ausgebrochen war.
Nro. 2. Die Wasser-Vorstadt.
Nro. 3. Die Stadt selbst.
Nro. 4. Ein Nagelschmidt war mit seiner Frau in den Keller geflüchtet; allein der Dampf drohte sie zu ersticken, daher versuchte derselbe die Frau durch die Flammen zu tragen, konnte aber durch die Gluth nicht mehr hindurch und mußte die Frau abermals in den Keller zurücktragen, wo sie im Dampfe erstickte.
Nro. 5. Einem Mädchen aus der Nachbarschaft, welches zur Rettung herbeigeeilt war, wurde durch das Herabstürzen eines Giebels Bein und Arm gebrochen.
Nro. 6. Ein Tuchmacher wollte noch einige Habseligkeiten aus dem obern Stocke zu retten suchen, indem er aber die Thüre ergreift, stürzt das Gebälke herab, wobei ihm beide Beine zerschmettert und er so dem Flammen-Tode preisgegeben wurde.
Nro. 7. Ein Fleischhauer war mit seiner Frau und 4 Kindern in den Keller geflüchtet; am Morgen fand man die Mutter, die zwei ältesten Kinder in ihren Armen haltend, todt. Der Vater und die zwei jüngsten Kinder wurden aber durch ärztliche Hülfe wieder hergestellt.
Nro. 8. Die unglückliche Mutter wurde darauf mit beiden Kindern in einen Sarg gelegt und beerdigt.
Nro. 9. Ein Weißgärbergeselle und ein Dienstmädchen, welche sich in den Keller geflüchtet hatten, fand man beide vom Dampfe erstickt.
Nro. 10. Der Leichenzug sämmtlicher bei dem Brande verunglückten Personen.
Digitalisat: Biblioteka Cyfrowa Uniwersytetu Wrocławskiego
Transskript aus der Deutschen Fraktur-Schrift: © Christian Drescher
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